Einstein & Co
In einem nicht zu Unrecht unterschätzten Film der frühen 90er Jahre dringt die üppige Marilyn Monroe in die Hotelsuite von Albert Einstein ein, um ihm die Relativitätstheorie anhand einer Spielzeugeisenbahn, einer Taschenlampe und anderer Utensilien zu beschreiben. Es ist dies eine geniale Szene in zweierlei Hinsicht:
Erstens der Einfall, Marilyn Monroe auf Albert Einstein treffen zu lassen – jene Blondine, die von der "Vanity Fair" Maschinerie zu einer der schönsten Frauen der Welt hochstilisiert wurde, deren geistige Höhenflüge man allerdings in Bodennähe wähnen würde, auf der anderen Seite der exzellenteste Denker der bekannten Galaxis, eine Karikatur seiner selbst , ein gottbegnadeter Geist in einem lächerlichen Körper.
Zweitens sagt uns diese Szene: Marilyn ist gar nicht so bescheuert und Albert ist nicht der knöcherne Intellektuelle, für den ihn die Welt hält, nein, in seinem Sweatshirt mit der Aufschrift "IQ" sieht er sogar recht niedlich aus, und gar nicht wie jemand, der einen der Grundsteine zur atomaren Vernichtung der Welt gespendet hat.
Es ist eben alles relativ.
Man sagt, es gäbe nur eine Handvoll Menschen weltweit, die Herrn Einsteins Relativitätstheorie wirklich verstehen. Wenn es an Verständnis mangelt, so doch nur deshalb, weil sich die Wenigsten unter Begriffen wie "Energie" oder "Masse" etwas vorstellen können.
Der Begriff "Zeit" allerdings, der bei Albert ja auch eine gewisse Rolle spielt, ist landläufig bekannt, denn fast jeder Mensch besitzt eine gewisse Anzahl von Zeitmessern, die mit geräuschvollem Ticken oder lautlosen Änderungen in der Flüssigkeitskristallanzeige den Betrachter über das Verstreichen gewisser Einheiten informieren.
Als Kind lernt man, dass die Eltern (ohne vorerst erkennbare Gründe) ihr Verhalten ganz plötzlich ändern, wenn sie auf das Ding am Handgelenk oder diesen großen Kreis mit den zwei schwarzen Zeigern an der Wand blicken, die Stimmen wirken auf einmal schriller, irgendwie bedrohlicher, und die Bewegungen der Alten werden fahrig und hektisch.
Bald schon gesellt sich zu dem eigenartigen Verhalten der Bezugspersonen eine immer wiederkehrende Phrase hinzu, die man schließlich mit den Dingern am Handgelenk und dem stressigen Getue in Verbindung bringt: "Wir haben keine Zeit".
Dadurch lernt der kleine Mensch, dass Zeit etwas äußerst Seltenes sein muss, welches Mama, Papa, Opa, Oma, Onkel und Tante immer irgendwo anbauen, wo sie es nicht wiederfinden, denn sie haben "schon wieder so viel Zeit verloren".
Die Zeit scheint auch ein Genussmittel zu sein, wenn man das Wort "kosten" richtig interpretiert, denn „Zeit ist Geld“ und gegen Geld kann man jede Menge Fruchtzwerge und Eis eintauschen, allerdings hat der Onkel mal gesagt, er hätte die Zeit "ausgekostet", was man sich so vorstellt, als hätte er sie einfach aufgegessen.
Völlig verwirrt nimmt man weitere Eigenschaften der Zeit zur Kenntnis:
Zeit kann "verfliegen" und man denkt an einen kleinen bunten Vogel, so einen flaumigen Ball, der einen Haufen Federn zurücklässt, wenn er geräuschvoll abschwirrt. Zeit kann "zerrinnen" (vielleicht wie Schokolade, aber ist sie dann auch so braun ?), sie kann kurz oder lang sein, hat demnach keine fest Form (was gegen die Vorstellung des Vogels und mehr für die Schokolade spricht), sie kann richtig oder falsch sein, gut oder schlecht, auf jeden Fall will sie jeder haben, nur jeder seufzt und bedauert, dass er sie nicht hat, vor allem, wenn man mit demjenigen spielen will.
Erwartung tritt ins Leben, sobald man nicht mehr automatisch das bekommt, was man will, wenn man schreit. Später fragt man sich, warum es immer diese Warterei geben muss: "zweimal noch schlafen und dann kommt das Christkind", was soll das, warum nicht jetzt, denn alles ist jetzt : was meinen die mit „morgen“, denn wenn man dann geschlafen hat, dann heißt es "guten Morgen" und eigentlich ist es "heute" und erst nach dem nächsten Mal schlafen ist "morgen" - warum warten, warum morgen, warum verdammtnochmal nicht gleich ?
Wenn man das mit den Stunden und Tagen irgendwie auf die Reihe gebracht hat und sich nicht mehr wundert, dass der Einbruch der Dunkelheit kein verlässlicher Hinweis darauf ist, dass man bald Zähneputzen muss, gibt man es einfach auf, diesem Phänomen Zeit mit rationalen Mitteln zu begegnen und fügt sich in die Routine derer, die es ja wissen müssen, ein.
Eines bleibt jedoch immer präsent, obwohl man nun das wahre Wesen der Zeit in Ihrer Struktur von Sekunden, Minuten, Stunden, Tagen, Wochen, Monaten, Jahren und Jahrzehnten, -hunderten, -tausenden und -millionen kennt, die Qualität !
Ja, Zeit hat Qualität, und die wiederum verhält sich reziprok proportional zur Dauer:
Die endlosen, langweiligen Stunden in der Schule vergehen halb so schnell wie die Stunden, die man beim Spielen verbringt. Eine miese Einrichtung.
Viel später, als Erwachsener, wird man immer noch nicht das Gefühl los, dass an diesem System etwas faul ist : 2 Minuten, die Erfüllung bedeuten, sind so kurz, dass man sie kaum genießen kann, andere 2 Minuten, vor allem in peinlichen Situationen, sind eine Zeitspanne, die der biblischen Ewigkeit gleich kommt.
Am Ende begegnet man der Relativitätstheorie und sieht sich im Geiste als Astronaut mit Lichtgeschwindigkeit von der Erde wegfliegen, und da es ja Warp-Antriebe gibt, ist es gleich mehrfache Lichtgeschwindigkeit. Man macht dann irgendwo bei Alpha Centauri einen U-Turn, düst zurück und - siehe da, die Kollegen auf der Erde haben alle einen langen weißen Bart, während man selbst gerade um ein paar lächerliche Monate gealtert ist.
Das macht Ausflüge nach Alpha Centauri mittels Warp Antrieb vor allem für solche Leute interessant, die entweder in ihrem Freundeskreis keine gleichaltrigen Menschen dulden, oder vor dem Gesetz auf der Flucht sind und die Verjährung ihres Vergehens erleben, bzw. sich selbst beerben wollen. Ronald Biggs hat angeblich aus diesem Grunde einen beträchtlichen Teil seines Vermögens der südamerikanischen Raumfahrttechnologie gespendet.
Erich von Däniken wiederum hat den Beweis erbracht, dass durch die Beschaffenheit der pyramidenähnlichen Gebäude in Yucatan, dieses Geld durch die Zeit gereist ist und es den Mayas erst ermöglichte, ein Raumschiff zu bauen, die einige Leute dieses Volkes ins All beförderte, den Rest des Stammes jedoch leider durch die Emissionen ausrottete.
Wohlgemerkt ist die Technologie, die für eine interstellare Reise erforderlich ist, nur einigen Mitgliedern der Besatzung des Raumschiffes "Enterprise" bekannt, für Albert Einstein galt es bis kurz vor seinem Tode (seine letzten Worte waren ja bekanntlich: "Beam me up, Scotty") als unmöglich, denn mit seiner berühmten Formel hat er zwar viel Freude und Rätselraten unter den Menschen verbreitet, gleichzeitig jedoch Beschleunigung in Zusammenhang mit der Masse von beweglichen Körpern gesetzt - das heißt, dass eine Astronautin, die den Gashebel bedenkenlos in Richtung Lichtgeschwindigkeit bewegt, immer mehr Masse bekommen würde, sie würde einfach dicker werden, bis sie schließlich unendlich dick wäre, was letztendlich bedeutet, sie würde anschließend nur noch einen Job bei der AUA bekommen.
Tatsächlich liegt in der wunderschönen Theorie eine schreckliche Erkenntnis für den Wissenschaftler, nämlich, dass er sich seine Konstruktion für den Photonenantrieb, der ein Raumschiff mit Lichtgeschwindigkeit reisen lässt, in die Haare schmieren kann.
Trotzdem gibt es noch Hoffnung, denn zumindest der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt: Perry Rhodan macht distanzlose Schritte, unzählige Raumkreuzer rasen in unzähligen Groschenromanen durch den Hyperraum und neben der Raumstation "Deep Space Nine" gelangt man durch ein sogenanntes "Wurmloch" zum anderen Ende der Galaxis in den Delta Quadranten.
Die Wissenschaft ist derzeit ziemlich am Ende ihrer Weisheit angelangt und manche Wissenschaftler wenden sich in ihrer Frustration nun okkulten und mystischen Bereichen zu, da Magie anscheinend immer noch das einzig probate Mittel ist, um Wunder zu erzeugen.
Doch dazu später.
Jeder ernstzunehmende Science Fiction Schriftsteller glaubt im Grunde seines Herzens, dass sich seine Vorstellungen einmal mit den Mitteln der Wissenschaft erfüllen werden und alle blicken erwartungsvoll dem Augenblick entgegen, in welchem Stephen Hawking endlich mit der erlösenden Formel herausrückt.
Zeit und Raum sind jedenfalls spätestens seit dem ollen Albert wieder eine untrennbare Einheit, doch außerdem ist das Raum-Zeit Kontinuum nun auch noch gekrümmt, bzw. soweit gekrümmt, dass die Form der Unendlichkeit sich als unendlich großer Krapfen mit einem Loch in der Mitte darstellt (amerikanisch:Donut): Das Universum, ein sinnloser Kringel, mit oder ohne Zuckerguss.
Asymptotisch bewegt sich die moderne Wissenschaft immer näher dem Ziel der großen Weltformel entgegen, zerlegt, analysiert, diskutiert und nimmt alles auseinander, ähnlich wie ein Kind, das sein Spielzeug zerlegt, um herauszufinden, wie es funktioniert, ohne es je wieder zusammenbauen zu können.
Immer kleinere Bestandteile und Teilchen werden entdeckt und beobachtet, wobei schon sehr früh in unserem Jahrhundert erkannt wurde, dass der Vorgang des Beobachtens ab einer gewissen Grenze das beobachtete Teilchen beeinflusst.
Das kann man sich so vorstellen, als würde man das Leben der Nachttiere studieren wollen, wobei diese ihr natürliches Verhalten ändern, sobald man das Licht aufdreht, das man braucht, um sie zu beobachten. Was man also im Scheinwerferlicht sieht, sind einige große, leuchtende Augen in verschreckten Gesichtern, bevor sich die Tiere umdrehen und davonrennen. So schlossen die Wissenschaftler messerscharf, dass das Licht das Verhalten der Teilchen, die beobachtet werden sollten, unangebracht beeinflusst.
Mittlerweile ist es noch um einiges magischer geworden: Versuche haben gezeigt, dass ein und dasselbe Teilchen an zwei Orten gleichzeitig sein kann, einige reisen in der Zeit zurück, die meisten benehmen sich wirklich widerlich, zumindest nach dem Dafürhalten der exakten, analytischen Wissenschaft - das Chaos herrscht im subatomaren Bereich und ein Teilchenphysiker ist vor ähnliche Aufgaben gestellt wie ein Wolkenforscher, der aus den verschiedenen Strukturentwicklungen von Wolkenformationen Vorhersagen über das Wetter vom kommenden Donnerstag machen möchte. Propheten ohne göttliche Eingebung.
Hier muss mehr dahinter sein als ein bis dato mit dem Begriff Unschärferelation in die physikalischen Grundfesten einberechnetes Achselzucken - aus diesem subatomaren Chaos besteht alles.
Von dieser Erkenntnis völlig überwältigt, greift der echte Wiener zum G´spritzten und mit gläsernem Blick stellt er die lebenswichtige Frage:
"Wos brauch I des ?"
Nun, abgesehen davon, dass es Menschen in weißen Arbeitsmänteln, die im sonnigen Kalifornien tief drinnen in Bunkern bei künstlichen Licht mit Computern herumspielen, ganz einfach glücklich macht, sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen, abgesehen davon gibt uns die Erkenntnis, dass alle bisherigen Erkenntnisse höchstens Annäherungsmodelle und persönliche Anschauungen von den tatsächlichen Vorgängen sind, was den Schluss zulässt, dass immer noch alles möglich ist.
Das Einstein´sche Universum arbeitet zwar nicht mehr mit der Regelmäßigkeit, wie man es aus der Werkstatt von Pythagoras und Isaac Newton kannte, doch ließ Einstein keinen Zweifel darüber aufkommen, dass es mit dieser Unschärfe irgendwo seine Grenzen hat : "Der Herrgott würfelt nicht" sagte er damals recht verstimmt, doch heute ist man sich nicht mehr so sicher, ob diese Aussage nur für einen bestimmten Wochentag, womöglich den Sabbat gilt, oder vielleicht ist Gott ganz einfach ein begeisterter Kartenspieler ?
Kein Mathematiker kann es bis ins letzte Detail beweisen, denn ein Mann aus den eigenen Reihen hat allen vorgerechnet, dass in jedem noch so schönen Satz, jeder noch so perfekt abgeleiteten Formel irgendwo „ein Hund begraben“ liegt, obwohl besagter Mann eher durch seinen „Elefanten und die Schildkröte“ bekannt wurde. Mit seinem „Unvollständigkeitssatz“ demolierte Herr Gödel den werten Kollegen nicht nur die Basis der Mathematik, sondern auch ein Stück der Ehre : von den Königen der Wissenschaften zu simplen Numerologen degradiert, beschränkten sich einige Mathematiker dann auf die Zahlen 0 und 1 und erfanden den Computer.
Die Wahrheit über die wirklichen Hintergründe kannte nur der Sepp Mitterhuber, der in einer sternenklaren Nacht über seine Alm spazierte und ganz in Gedanken über den Milchpreis versunken, zum Himmel blickte. Als er so die Sterne betrachtete, öffnete sich ein riesiger Reißverschluss am Himmel und ein Gesicht, das ungefähr viermal so groß war wie der Mond, sah auf die stille Landschaft hinunter.
Schweigend vor Erstaunen und Ehrfurcht blieb Mitterhuber stehen, das Gesicht drehte sich nach hinten und eine Stimme, die den ganzen Äther zu erfüllen schien, sprach: "Alles in Ordnung, es ist nur der Sepp!" dann ging der Reißverschluss wieder zu.
Dieses Erlebnis machte Sepp Mitterhuber sehr schweigsam und er redete zu niemandem über den Vorfall, ja er sprach den Rest seines Lebens überhaupt nichts Zusammenhängendes mehr. Man erzählt sich, dass der Pfarrer, welcher das Sakrament der letzten Ölung spenden sollte, ohne die Zeremonie zu beenden und mit hochrotem Kopf aus dem Mitterhuber´schen Gehöft geeilt sei, weil der Sepp in seinem Delirium fortwährend den Zipp am Hosenstall des Geistlichen herunterzog.
Aus derartigen Begebenheiten, kann man, (wenn man will) folgenden Schluss
ziehen :
Die Wahrheit ist relativ, und die Wirklichkeit ist nur eine Ausrede für einen Mangel an Phantasie !